„Es begann mit einer Lüge“

Am 24. März 1999 kehrte mit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der NATO gegen Jugoslawien erstmals nach 1945 der Krieg nach Europa zurück. 78 Tage und Nächte lang bombardierte das Militärbündnis das Land am Balkan. Dabei hatte Jugoslawien kein anderes Land angegriffen, überfallen oder auch nur bedroht. Die völkerrechtswidrige Aggression gegen Belgrad markierte denn – nach ersten Generalproben, beginnend mit der US-Invasion in Panama 1989 – auch eine historische Zäsur und den entscheidenden „Türöffner“-Krieg für die nachfolgenden Aggressionen und westliche Verhängung des Kriegsrechts über den Globus. Entsprechend jährten sich allein in dieser Woche drei völkerrechtswidrige, verheerende Angriffskriege des imperialen Westens auf andere Staaten.

Ersetzung des Völkerrechts durch das Faustrecht

Auf die damit erfolgte Ersetzung des Völkerrechts durch das Faustrecht (oder der ‚Stärke des Rechts‘ durch das ‚Recht des Stärkeren‘) wiesen seinerzeit nicht nur Linke und die Friedenskräfte hin, sondern relativ früh etwa auch der Völkerrechtler Ulrich Fastenrath der in der FAZ von einem „Präzedenzfall“ sprach, mit dem auf einen Zustand vor Gründung der UNO zurückgegangen wird. Dass die NATO damals nicht nur das Völkerrecht in Trümmer bombte, sondern auch ihr eigenes Statut entgrenzte und das Militärbündnis endgültig in Richtung „Out-of-area“-Einsätze wandelte, machte die Sache nur noch schlimmer.

Sozialdemokratie 4.0 & oliv-grüne Schreibtischtäter

Und es war ein sozialdemokratischer Krieg, dessen politisches Personal sich nach seiner Feuertaufe als Feldherren im selben Jahr mit dem „Blair-Schröder-Papier“ der EU dann auch als neoliberales Verwaltungspersonal anempfahl. Begann das 20. Jahrhundert mit dem Sündenfall der Zustimmung der führenden Sozialdemokratie zum Ersten Weltkrieg, so endete es mit einem abermaligen Kriegsgang gegen Jugoslawien unter direkter sozialdemokratischer Federführung. In Deutschland regierte erstmals Rot-Grün unter Gerhard Schröder und Joschka Fischer, britischer Premier war „New Labour“-Chef Tony Blair, in Frankreich stand der Sozialdemokrat Lionel Jospin an der Regierungsspitze, Italien wurde von der sog. Mitte-Links Regierung d’Alema geführt und in Österreich amtierte SPÖ-Vorsitzender Victor Klima als Kanzler. Zudem residierte im Weißen Haus Bill Clinton, von der europäischen Sozialdemokratie liebevoll „Red Bill“ genannt, als US-Präsident und bekleidete zur Krönung auch noch der spanische Sozialdemokrat Javier Solana den Posten des NATO-Generalsekretärs. Und während das mit unannehmbaren Forderungen gespickte Kriegs-Ultimatum an Belgrad 1914 noch von den kaiserlichen Hofschranzen – in enger Abstimmung mit dem deutschen Kaiserreich – formuliert wurde, durfte am Diktat von Rambouillet (das die Umwandlung der jugoslawischen Provinz Kosovo in ein NATO-Protektorat und die Zustimmung Jugoslawiens zu einer fremden Besatzungsmacht auf ihrem Boden vorgesehen hatte) auch der sozialdemokratische österreichische Spitzendiplomat Wolfgang Petritsch mit Feder anlegen, wozu schon ehedem nicht zuletzt auch die Grünen der Alpenrepublik bereits frenetisch applaudierten. Ganz dem – wenn freilich im Gang der 68er Generation von der Straße durch die Institutionen ins politische Gegenteil verkehrte – Motto ihres deutschen Stars Joschka Fischer gemäß: „Legal, illegal, scheißegal“.

Kriegspropaganda bislang ungekannter Ungeheuerlichkeit

Die Kriegspropaganda mit der die Öffentlichkeit seinerzeit ihrerseits mit in die NATO-Aggression hineingelogen wurde, sprengte damals alle bis dahin geltenden Vorstellungen. Der oliv-grüne Außenminister Deutschlands, Joschka Fischer, sprach mit Bezug auf Jugoslawien ohne dafür je als Schreibtischtäter und Geschichts-Revisionist belangt zu werden ernsthaft vom „Wiederauftauchen eines blutigen völkischen Faschismus“ und flickte dem jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic „eine rohe, barbarische Form des Faschismus“ ans Zeug. Vor diesem Hintergrund verstieger sich schlussendlich noch zur bis heute unfassbaren Ungeheuerlichkeit, den NATO-Aggressionskrieg gegen Belgrad unter der Losung „Nie wieder Ausschwitz“ zu verkaufen und erklärte: „die Faschisten kommen nicht durch“. Der sozialdemokratische Kriegsminister Rudolf Scharping wiederum, stand ihm in nichts nach und fantasierte von einem „Konzentrationslager in Pristina“ in dem die Serben zu alledem angeblich mit abgeschlagenen Köpfen Fußball spielen und halluzinierte einen „Fötengrill“ herbei. Bis heute ungestraft für seine Auschwitz-Relativierung trug er in moralisch-propagandistischen Pathos das morbide Lügenkonstrukt vor, dass die von Fischer dummdreist so genannte „SS von Herrn Milosevic“ „Frauen ihre Kinder aus den Armen reißt und ihre Köpfe abschneidet, um mit ihnen Fußball zu spielen“ und „ermordeten Schwangeren der Bauch aufgeschlitzt wird und der Fötus erst gegrillt und dann in den Bauch zurückgelegt wird“.

Gräuelgeschichten, sogenannter „Hufeisenplan“ und der mutige Widerspruch des zuständigen deutschen Verbindungsoffiziers bei der OSZE

Entsprechend titelte wenige Wochen vor dem NATO-Überfall auch das deutsche Boulevard: „Sie treiben sie ins KZ“; „KZ. Konzentrationslager. Ein Alptraum ist wieder auferstanden.“ Und nur wenige Tage nach Beginn des Angriffskrieges gegen Belgrad bediente Kriegsminister Scharping das unsäglich Lügengespinst auf einer Pressekonferenz nochmals von Neuem: „Wenn ich höre, dass im Norden von Pristina ein Konzentrationslager eingerichtet wird, wenn ich höre, dass man die Eltern und die Lehrer von Kindern zusammentreibt und die Lehrer vor den Augen der Kinder erschießt, wenn ich höre, dass man in Pristina die serbische Bevölkerung auffordert, ein großes ‚S‘ an die Türen zu malen, damit sie bei den Säuberungen nicht betroffen sind, dann ist etwas im Gange, wo kein zivilisierter Europäer mehr die Augen zumachen darf, außer er wollte in die Fratze der eigenen Geschichte schauen.“ Dass Scharpings und Fischers morbides Lügengespinst von der angeblichen Verwandlung des Fußballstadions Pristinas in ein „Konzentrationslager“, ja dass es dort überhaupt je Gefangene oder Geiseln gab, über die vermeintliche Aufforderung ein „großes S“ an die Türen zu malen um „den Säuberungen“ zu entgehen, bis hin zu den angeblichen „Erschießungen der Lehrer“ vor den Augen der Kinder, gar dem halluzinierten „Fötengrill“ oder „Fußballspiel“ mit den „Köpfen der Kinder“, durch die Bank eine erstunken und erlogene Gräuelgeschichten waren, stellen heute nicht einmal mehr die borniertesten seinerzeitigen Bellizisten in Abrede. Selbiges gilt auch für den von Scharping behaupteten sogenannten „Hufeisenplan“ Belgrads, einer angeblich in einer hufeisenförmigen Operation geplanten Vertreibung der albanischen Bevölkerung aus dem Kosovo und dessen ethnischer Säuberung.

Dementsprechend harsch für einen deutschen Brigadegeneral fielen dazu denn auch die Worte des OSZE-Beobachters im Kosovo, General Heinz Loquai, aus, der die politisch Verantwortlichen schlicht der Lüge bezichtigte, den sogenannten „Hufeisenplan“ als gefakte Behauptung in Zweifel zog für die es „keine Beweise“ gab (und später detaillierter der Lüge überführte) und dem politischen Personal die Hintertreibung einer realisierbaren Verhandlungslösung des Kosovo-Konflikts zugunsten einer gewollten militärischen Intervention der NATO gegen das widerspenstige Serbien unter Milosevic attestierte. Da er die Kriegsbegründung der NATO couragiert als Lügengebräu aufdeckte, interveniert das deutsche Bundesverteidigungsministerium im Anschluss gegen die eigentlich routinemäßige Verlängerung seiner Tätigkeit bei der OSZE und servierte den unliebsamen General ab. Irgendwelche Konsequenzen für die Lügenbarone, Kriegstreiber, Schreibtischfeldwebeln und Schar an Schreibtischtätern gab es indes freilich nie.

Schalek und das Desinteresse an den Auschwitz-Überlebenden und WiderstandskämpferInnen

Die sich in Zeitungsanzeigen gegen diese Instrumentalisierung der Nazi-Verbrechen und „neuen Auschwitzlüge“ zur Wehr setzenden WiderstandkämpferInnen und ehemaligen KZ-Häftlinge fanden im seinerzeitigen Klima der antiserbischen Hysterie und Kriegspropagandawelle hingegen kein Gehör. Die Auschwitz-Überlebenden warfen in ihrem „Offenen Brief“ den Regierenden vor, „eine aus der Argumentationsnot für Ihre verhängnisvolle Politik geborene Verharmlosung des in der Menschheitsgeschichte bisher einmaligen Verbrechens“ zu betreiben. Was die politische und mediale Lügen-, Propaganda- und Manipulationsmaschinerie allerdings nicht weiter tangierte. Die willfährige Journaille erinnerte seinerzeit insgesamt frappant an die Kriegsreporterin Schalek in Karl Kraus‘ Meisterwerk „Die letzten Tage der Menschheit“ zum Ersten Weltkrieg. Der nur dürftig übertünchte, unterschwellige Tenor war aller Orten wieder: „Serbien muss sterbien“.

Eine löbliche Ausnahme des seinerzeitigen grassierenden Geschichtsrevisionismus und der Instrumentalisierung Auschwitz‘ für den Kriegsgang gegen Jugoslawien, bildete übrigens abermals Heinz Loquai. „Hier muss ich mich wirklich beherrschen“, so der Brigadegeneral zutiefstempört, „weil der Vergleich mit Auschwitz und der Situation im Kosovo eine ungeheuerliche Behauptung ist.“ „Man muss sich als Deutscher schämen, denn ein normaler Mensch, ein normaler Deutscher, wird [zu Recht] vor Gericht gezerrt, wenn er in derartigem Ausmaß Auschwitz verharmlost.“

Die „neuen Hitler“ von Belgrad, über Bagdad und Tripolis, bis Moskau

Der Tausendsassa und Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger hat Slobodan Milosevic dann gleich zum „neuen Hitler“ ernannt. Ihm folgten in der westlichen Kriegspropaganda später sodann der „irakische Hitler“ Saddam Hussein, gefolgt vom „libyschen Hitler“ Muammar al-Gaddafi sowie dem „syrischen Hitler“ Baschar Al-Assad nach. Bereits in den Jahren 2014/15 ernannte die ehemalige US-Außenministerin Hillary Clinton sodann Russlands Präsidenten Wladimir Putin zum „neuen Hitler“. Strenggenommen, samt und sonders Verharmlosungen des Nazi-Faschismus und Hitlerismus, die nach österreichischer Verfassungsordnung eigentlich als Strafdelikte zu ahnden wären.

ARD: „Es begann mit einer Lüge“

Bereits zwei Jahre nach dem verbrecherischen NATO-Krieg, Jugoslawien war inzwischen bereits in die Knie gezwungen und weiter zerstückelt, strahlte das ARD die Investigativ-Dokumentation „Es begann mit einer Lüge. Wie die NATO im Krieg um Kosovo Tatsachen verfälschte und Fakten erfand“ aus. Entsprechend geriet wenig später denn auch der „Jahrhundertprozess“ in Den Haag, wie ihn Chefanklägerin Carla del Ponte in ihrem Eröffnungsplädoyer bezeichnete, zu einer einzigen Farce. Angeklagt der „schlimmsten der Menschheit bekannten Verbrechen“, mangelte es dem Tribunal dafür sichtlich an Beweisen (was gelegentlich auch del Ponte einzugestehen gezwungen war). Und im späteren Urteil gegen Bosniens Serbenführer Radovan Karadzic, wurden Milosevic und die Bundesrepublik Jugoslawien ihrerseits, unbemerkt von der medialen Öffentlichkeit, postum vom „Völkermord“ und „Kriegsverbrechen“ während des bosnischen Krieges von 1992 bis 1995 freigesprochen. Die von Slobodan Milosevic in dessen eigenem Prozess beantragte Vorladung unter anderem von Rudolf Scharping, Joschka Fischer, Bill Clinton oder UN-Generalsekretär Kofi Annan (oder auch den beiden US- und britischen AußenminsterInnen Madeleine Albright und Robert Cook) zum Kreuzverhör wurde vorsorglich abgewiesen. Der bekannte, ehemalige US-Justizminister Ramsey Clark war denn auch der Ansicht, auf die Anklagebank in Den Haag hätten in Wirklichkeit vielmehr die Figuren der NATO-Mächte gehört.

Die Rabulistik der NATO: Kein Krieg, sondern humanitäre Intervention mit militärischen Mitteln

Der offiziellen Sprachregelung zufolge war der Waffengang allerdings kein Krieg („Wir führen keinen Krieg“, wie Gerhard Schröder erklärte), sondern wurde euphemistisch als „humanitäre Intervention“ („mit militärischen Mitteln“, wie derselbe in geradezu sagenhafter Rabulistik spitzfindig mitteilte) verharmlost. „Liebe Mitbürger, liebe Mitbürgerinnen“, dozierte Schröder in seiner grotesken TV-Ansprache, „heute Abend hat die NATO mit Luftschlägen gegen militärische Ziele in Jugoslawien begonnen“, gleichwohl führen Deutschland und das Militärbündnis mitnichten einen Krieg. Einzig eine Art „internationalen Polizeieinsatz“ mit „militärischen Mitteln“, wie Theodor Roosevelt bereits 1904 die ‚Aufgabe‘ „zivilisierter Gesellschaften“ als „internationaler Polizeimacht“ gegenüber Kolonien und abhängigen Staaten im Neusprech über den Krieg definierte.

Und der Kronphilosoph Europas, Jürgen Habermas, assistierte devot und theoretisierte ein „überrechtliches Recht“ zum „humanitären Krieg“. Seit er sich jedoch jüngst in der „Süddeutschen Zeitung“, ansonsten freilich dem Mainstream verpflichtet, für eine Entschärfung und Verhandlungslösung des eskalierenden Ukraine-Krieg aussprach, ist es auch für ihn vorbei mit seinem Nimbus als moralische Instanz des bundesdeutschen Liberalismus. Heute ist der Stab auch über ihn gebrochen. Ahnungslosigkeit und Senilität sind dabei noch die schmeichelhaftesten über ihn verhängten Verdickte.

Gesellschaftliches Klima der Hysterie und die Monotonie der Nachrichten

Hier ist nicht der Ort den – wie der ehem. Botschafter der DDR in Belgrad Ralph Hartmann einmal bemerkte – „von allen Seiten mit größter Härte und nicht selten mit fast unvorstellbarer Brutalität geführten“ Bürgerkrieg Jugoslawiens seit Beginn der 1990er Jahre auszuleuchten, noch den Kosovo-Konflikt, der dann als Feigenblatt für den NATO-Krieg gegen Belgrad herhalten musste. Selbiges gilt an dieser Stelle für die dahinterstehenden Interessenskonstellationen und imperialen Interessen des Westens. Im vorliegenden Zusammenhang sei neben der mit ihm eingeläuteten historischen Zäsur – auf die hinzuweisen man seinerzeit für fast paranoid erklärt und natürlich als „Slobo-Versteher“ geächtet wurde – abschließend einzig noch an seinen im historischen Gedächtnis zugeschütteten, verbrecherischen Charakter erinnert. Zunächst als „Blitzkrieg“ mit einem Enthauptungsschlag gegen Belgrad geplant, zog sich das Kriegsgeschehen aufgrund des hartnäckigen Widerstands der jugoslawischen Armee über beinahe drei Monate. Monoton verkündeten die NachrichtensprecherInnen Morgen für Morgen: „Auch in dieser Nacht griff die NATO wieder Ziele in Jugoslawien an.“ Belgrad, Novi Sad, Kragujevac, Nis, Pancevo …

Die vergessen gemachten Kriegsverbrechen der NATO im Jugoslawienkrieg

Gemeinsam mit dem Zerbomben des Völkerrechts wurde das Land in Schutt und Asche gelegt. Mit ihren über 23.000 Kampfflugeinsätzen, mehr als 14.000 auf jugoslawische Städte und Dörfer abgeworfenen Bomben, sowie rund 2.300 abgefeuerten Raketen zerstörte die NATO gezielt die zentrale Infrastruktur des Landes: die wichtigsten Eisenbahnschienennetze, 19 Bahnhöfe, Personenzüge, die Hauptverbindungsstraßen, 13 Flughäfen, weite Teile des Energieversorgungsnetzes, mehr als 60 lebenswichtigen Brücken, die wichtigsten Industrie- und Produktionsanlagen des Landes (über 120), Wasserversorgungsanlagen, sowie annähernd sämtliche Strom- und Heizkraftwerke. Dazu über 30 Krankenhäuser, mehr als 450 Schulen, Kindertagesstätten und Universitätsgebäude, zudem zehntausende Wohnhäuser. Darüber hinaus bombardierte die NATO zielgerichtet auch die chemischen Fabriken, Erdgasanlagen und Erdölraffinerien, Treibstofftanks und Flüssiggaslager des Landes, die vielfach tage-, ja wochenlang in Flammen standen, als kilometerhohe pechschwarze Rauchschwaden das Land überzogen und mehrere tausend Tonnen hochgiftige Substanzen freisetzten (Phosgen, Vinylchloridmonomer, Salzsäure, Ammoniakflüssigkeit, Quecksilber und eine Reihe weiterer Gifte). Angesichts dieses Infernos formulierte der Umweltwissenschaftler Prof. Dr. Knut Krusewitz mit Blick auf den Jugoslawienkrieg seinerzeit: „Offenbar müssen wir unser Verständnis von Giftgaskrieg revidieren. Moderne Chemiewaffenkriege werden nicht mehr mit primären, sondern mit sekundären Giftgaswaffen geführt, also durch die Bombardierung von Anlagen, die gefährliche Stoffe und/oder Kräfte enthalten.“ Und der WDR-Journalist Marko Josilo konstatierte „die schlimmste Chemie-Katastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg“. Die petrochemische und chemische Industrie Jugoslawiens wurde denn auch völlig zerstört. Ebenso die größten Düngemittelfabriken. Mit der Zastava-Automobilfabrik wurde zugleich der einzige Autohersteller des Landes dem Erdboden gleich gemacht. Den Dauerbombardements fielen aber auch Flüchtlingskonvois, Eisenbahnzüge und vollbesetzte Busse zum Opfer. Am 23. April wurde schließlich auch das Sendegebäude des jugoslawischen Rundfunks RTS sowie im Anschluss sämtliche weitere Sendeanlagen in anderen Städten in Schutt und Asche gelegt. Die Dutzenden und Aberdutzende bombardierte historischen Denkmäler, Gedenkstätten und (allem voran: orthodoxe) Friedhöfe lassen wir hier zurückgestellt.

Parallel setzte die NATO in ihrer Militäroffensive geächtete und verbotene Waffen, darunter Uran-Waffen, sprich: nukleare Munition (geschätzte mindestens 90.000 abgereichertes Uran enthaltende DU-Geschosse) sowie zig Tausende Streu- und Splitterbomben ein, fanden erstmals in einem Krieg Graphitbomben Einsatz und machte sich das Militärbündnis der großflächigen Verlegung von Landminen schuldig.

Über die Dreistigkeit der Propaganda und Lügen gerade in Deutschland und Österreich zeigten sich übrigens selbst hartgesottene CIA-Agenten erstaunt. Im Anschluss an die bereits auch von Belgrad unterschiebene Streckung der Waffen gegenüber der größten Militärstreitmacht der Welt flog die NATO-Kriegsallianz dann als nur kurz währenden Schlusspunkt noch einen ihrer massivsten Angriffe überhaupt – bevor sie zwei Jahre später aufbrach, die Freiheit des Westens „am Hindukusch zu verteidigen“ und als Weltsouverän ihre geopolitische Agenda weiter bis in die letzten Winkel des Globus voranzutreiben.

Der erfahrene Militär Heinz Loquai – um ihn gegen den historischen Gedächtnisverlust und das verlorengegangene Autonomie des Denkens eines Großteils „der Linken“ ein letztes Mal heranzuziehen – prophezeite bzw. befürchtete dies, den Jugoslawien-Krieg resümierend, schon damals: „So kann man also alle Gründe für die Befürchtung haben, dass sie („die westlichen Regierungen“) in Zukunft auf neue bewaffnete Interventionen setzen werden.“

Quelle: KOMintern